Damals wurden zwei meiner Freunde nach den sieben, für sie, bedeutensten und prägendsten Platten gefragt. Ob die Auswahl heute immer noch so getroffen würde, weiß ich nicht. Zu Wort kommen Flo und Daniel, zwei Musiker die unter anderem bei So Much More, Within Walls, und Violent Nuns (Daniel) sowie Paranoid Society, Black Sunday und Leave Us Kids Alone (Flo) tätig waren und sind.
Anfangen darf Daniel:
Zero Boys – Vicious Circle (1982)
Eine meiner ewigen Lieblingsplatten. Die Zero Boys spielten die perfekte Mischung aus den Ramones und Black Flag; kurze Songs, melodisch, hart und schnell, extrem tight und mit dem neben Matt Freeman besten Bassisten der Punkrockgeschichte.
Ein alter Kemptener Punkrocker verlieh im Winter 2004 einige seiner Platten an einen meiner Freunde, der auch mir vieles auf Tapes überspielte. Diese hörte ich dann ungeordnet während der nächsten Wochen durch und stieß so eines Morgens auf dem Weg in die Schule auf diese LP. Ich weiß noch genau an welcher Stelle des Wegs die grandiose Bridge von "New Generation" einsetzte und ich meine neue Lieblingsband fand. Zwei der drei Bands in denen ich seitdem gespielt habe, waren stark von den Zero Boys beeinflusst und das Logo ließ ich mir irgendwann auf die linke Schulter tätowieren.
Lake Pussy (2001 – ca. 2005)
Lake Pussy war eine Oldschool-Punkrockband aus München, die musikalisch, inhaltlich und später teilweise auch menschlich enormen Einfluss auf mich hatte. Zum ersten Mal sah ich die Jungs 2002 als Support der US Bombs und danach war meine, vorher auf den Säulen Anti Flag, Pennywise und neue Misfits ruhende, Punkrockwelt nicht mehr dieselbe. Snotty und politisch, betrunken und intelligent, kaputt mit Stil, Spaß an der Sache und riesiger „Fuck Off“-Attitüde; Songs zwischen prä-LP Stitches, US Bombs und Padded Cell mit klar von Joe Strummer und Duane Peters beeinflussten Texten über politische, soziale und persönliche Themen – mit meinen 15 Jahren das Beste was mir passieren konnte und auch heute noch oft gehört.
Eine Myspace-Grabpage ist seit neuestem eingerichtet und die Singles (Split mit Skeptic Eleptic und die ‚Die Pretty’ – Finger weg von den zwei Frühwerken in anderer Besetzung!!) sollten auch noch erhältlich sein. Das Album wurde bis heute nicht veröffentlicht, noch aktive Nachfolgebands sind die Gumbabies und ReadySteadyDie (Bei denen ich früher, damals noch unter dem Namen Violent Nuns, auch Gitarre spielte).
Drunk Injuns – Frontside Grind (1987)
Die Band kenne ich aus einem Artikel über Skaterock (Thrasher-Tapes ab 1983) im Bullet-Fanzine (Vorgänger vom Boardstein), das ich mit ca. 14 Jahren in die Hände bekam. Kurze Zeit später war die Platte im amerikanischen Ebay gelistet und ich stand, sehr zur Freude meiner Eltern, in deren Schlafzimmer damals der PC stand, mitten in der Nacht auf, um das Teil zu kaufen.
Drunk Injuns waren eigentlich Los Olvivados, nur mit Masken und düsterem, sowohl von Metal als auch von Joy Division (‚Walked in Line’ wird in einer grandiosen Version gecovert) beeinflusstem Sound, der schwer zu beschreiben ist. Am besten selbst anhören, aber Finger weg von der Collection auf Alternative Tentacles – da wurde neu gemastert und das klingt extrem beschissen; besser das Original saugen oder mal bei eBay gucken, die gibt’s noch verhältnismäßig oft – war damals ne 2000er-Auflage und unverständlicherweise interessiert die Band keine Sau.
Johnny Thunders – So Alone (1978)
Thunders’ erstes Soloalbum nach dem Heartbreakers-Split. Opener ist ‘Pipeline’, gefolgt vom vermutlich besten, schönsten, furchtbarsten, traurigsten, deprimierendsten und grandiosesten Song der Musikgeschichte: ‘You Can’t Put Your Arms Around A Memory’.
Auch der Rest ist aber bestes Material, u.a. ein Cover der Shangri-Las (Sowas wie die Spice Girls der 60er) und die zwei Dolls-Songs „Subway Train“ und „Downtown“.
Neben den Zero Boys der zweite „So will ich klingen“-Faktor meiner Jugend, leider gelang es mir nie, den Gitarrenstil zu kopieren, haha...
Strife – One Truth (1994)
Kann ich nicht viel zu sagen...für mich die perfekte Hardcore-Platte.
Texte zu allem was wichtig ist, ein unglaublich guter Sänger und auch musikalisch/songwritertechnisch über alles andere erhaben. Läuft, gemeinsam mit dem Nachfolger, beinahe täglich.
Heartbreakers – Live at Max’s (1979)
Live-Mitschnitt einer Reunionshow in leider nicht vollständiger Originalbesetzung: Drummer Jerry Nolan war durch einen gewissen Ty Styx (von dem davor oder danach nie wieder etwas zu hören war) ersetzt worden, der aber, wie viele Drummer des Post-Dolls Punkrock (siehe Rat Scabies von The Damned), hörbar von Nolan beeinflusst war und dessen Stil beinahe perfekt kopierte.
Dem Intro, einem wüsten Zusammenschnitt von Lärm, Bombensirenen und Aufmarschgeräuschen, folgt die Snot-Offenbarung „Milk Me“ (eigentlich ein alter New York Dolls-Song namens „Chatterbox“) und elf weitere Klassiker, die man kennen MUSS!
Musikhistorisch gesehen ist diese Platte so etwas wie die Quintessenz des frühen NY-Punkrock, hier kommt alles zusammen: Simple, aber grandiose Songs, vorgebracht mit der Stylerattitüde der Dolls, dem Stürmisch-Rotzigen und der musikalischen Finesse der Heartbreakers sowie Thunders’ depressiver Heroinfuckedness.
Wer das Ding nicht gehört hat, dem spreche ich jede Ahnung von Punkrock ab. Ernsthaft.
Freeze – Rabid Reaction (1986)
Das zweite Album der uneastcoastigsten Ostküstenband. The Freeze kamen aus Boston, spielten mit allen lokalen Bands (DYS, Gang Green, SSD,...), hatten aber einen völlig anderen Sound - eher melodisch bis fast schon verspielt und so wasted wie ihr Sänger. Die erste Single ist von 1980, die Band bis heute aktiv und ausnahmslos alles hörbar.
Flo:
Torch - Blauer Samt
Hip Hop Platte #1. Da ich früher sehr viel Hip Hop gehört habe, war das eh ne Scheibe, an die ich ziemlich hohe Erwartungen hatte. Diese wurden auf keinen Fall enttäuscht, hammer Ding. Wohl auch das erste Mal dass mir Musik bei politisch/sozialen Dingen den entscheidenden Stoß gegeben hat, mich ausführlicher mit solchen Themen zu beschäftigen.
Slime - 1
Definitiv eine sehr prägende Scheibe für mich in der "Anfangszeit". Slime waren einer der Bands die mir Punkrock schmackhaft gemacht und mir bei gewissen Dingen, aufgrund ihrer klaren Ausdrucksweise, die Augen geöffnet haben.
Antidote - Back in year Zero
Hollands Pogo Punks Nummer 1. Wunderbar. Antidote mag ich auch heute noch recht gerne da sie schon immer ihr Ding machen und sich doch immer wieder neu erfinden. Eher textlich als auf musikalischer Ebene. Die Texte mögen manchem auch klischeehaft und primitiv vorkommen, bringen für mich aber die meisten "ausgelutschten" Themen am besten auf den Punkt.
Tomte - Hinter all diesen Fenstern
Manchen mag das zu poppig sein. Aber hier geht‘s um meine prägendsten Platten. Und da gehört diese definitiv dazu. Warum kann ich ehrlich gesagt nicht wirklich begründen. Hat mir in schlechten Zeiten oft geholfen, wahrscheinlich auch da man in die Texte doch eine ganze Menge rein interpretieren kann und man sich somit seine eigene Story aus jedem einzelnen Song bastelt.
MDC (Millions of Dead Cops) - Magnus Dominus Corpus
Auf MDC bin ich eigentlich schon ziemlich lange abgefahren aber die "Magnus Dominus Corpus", quasi die "Comeback"-Scheibe hat das ganze nochmal vorangetrieben und mich immer mehr in ihren Bann gezogen. Ich hatte mit nem guten Freund immer so die "Abmache", 2 Dinge die wir in unserem Leben noch machen müssen, sind, ne MDC Show und ne Chaos UK (das war so sein Favorit) Show anschauen. Das mit MDC hat geklappt, das mit Chaos UK noch nicht.
Tragedy - Vengeance
Erste Berührung mit Crust, Epic-Crust, was auch immer (Schubladenscheisser) ... auf jeden Fall mit tiefgehendem, anspruchsvollem und vor allem auch emotionalem Sound und tiefgründigen Lyrics. War, jetzt im Nachhinein gesehen, wohl DIE Band, die meine weitere "Richtung" gelenkt hat.
Fall of Efrafa - Oswla
Tragedy war die erste Berührung, Fall of Efrafa wohl der endgültige Schubser. Hab die schon in Stuttgart auf dem Be-Part gesehen ohne dass ich sie richtig kannte und war, zugegebenermaßen, ziemlich enttäuscht. Zuhause aber nochmal reingehört, mich dann intensiver damit beschäftigt und seit dem voll drauf hängen geblieben. Sowohl auf der Band als auch auf dieser Art von Sound.